BFH: Betriebs-Kitas verlieren Gemeinnützigkeit

Kindertagesstätten, die bei der Platzvergabe Eltern aus bestimmten Unternehmen bevorzugen und keine feste „Restplatzquote“ haben, fördern nicht die Allgemeinheit und sind deshalb nicht gemeinnützig. Das Urteil des Bundesfinanzhofs stellt Träger von Betriebs-Kitas vor finanzielle Probleme, die über die Frage der Steuerbegünstigung hinausgehen.

Gemeinnützigkeit  |  27. August 2022  |  Lesezeit 5 Minuten
BFH: Betriebs-Kitas verlieren Gemeinnützigkeit

Um was ging es in dem Fall?

Eine GmbH, die laut ihrem Gesellschaftsvertrag gemeinnützige Zwecke verfolgte, betrieb vier Kindertagesstätten. Sie schloss mit mehreren Unternehmen Verträge, in denen die Betreuung von Kindern der Mitarbeiter dieser Unternehmen geregelt war. Auf die Belegungswünsche der Unternehmen und ihrer Beschäftigten sollte Rücksicht genommen werden, Kinder aus anderen Familien konnten nur einen Betreuungsplatz in Anspruch nehmen, wenn die Vertragsunternehmen keinen Bedarf hatten oder er länger unbesetzt blieb.

Keine Förderung der Allgemeinheit, wenn Unternehmen Zugriff auf Betreuungsplätze haben

Das Finanzamt hatte zunächst für die Jahre 2008 bis 2011 festgestellt, dass die GmbH gemeinnützig war. Nach einer Betriebsprüfung im Jahr 2012 sah die Behörde dies jedoch anders und entzog der Gesellschaft die Gemeinnützigkeit. Die Tätigkeit fördere nicht die Allgemeinheit, weil die Einrichtungen den Beschäftigten der Vertragsunternehmen vorbehalten seien. Hiergegen klagte die GmbH vor der Finanzgericht Düsseldorf – allerdings ohne Erfolg.

BFH: Ohne feste „Restplatzquote“ keine Gemeinnützigkeit

Auch der Bundesfinanzhof (BFH), der über die Revision zu entscheiden hatte, bestätigte jetzt das Urteil des Finanzgerichts. Eine Förderung der Allgemeinheit sei nicht gegeben, weil der Kreis der geförderten Personen fest abgeschlossen sei und den Interessen der Vertragsunternehmen und ihrer Mitarbeiter diene. Ob tatsächlich nur Kinder von Beschäftigten aufgenommen und in welchem Umfang Restplätze vergeben worden seien, sah der BFH als unerheblich an. Es komme allein auf die vertragliche Regelung hierzu an – und die hätte mindestens eine feste „Restplatzquote“ umfassen müssen. Der BFH äußerte sich allerdings nicht dazu, wie hoch diese Quote sein muss.

Verfolgen Betriebs-Kitas mildtätige Zwecke?

In seiner Entcheidung ließ der BFH auch ausdrücklich offen, ob Träger von Betriebs-Kitas möglicherweise mildtätige Zwecke verfolgen. Im Gegensatz zu den gemeinnützigen Zwecken ist bei den mildtätigen keine Förderung der Allgemeinheit erforderlich – es ist sogar gerade erwünscht, dass nur ein bestimmter, hilfsbedürftiger Personenkreis unterstützt wird. Da in dem zu entscheidenden Fall aber eine Satzungsbestimmung zur Mildtätigkeit fehlte, musste der BFH nicht darüber urteilen.

Ähnlichkeit mit Rechtsprechung zur Stipendiatenquote bei Privatschulen

Der BFH argumentierte auch mit einem Beschluss aus dem Vorjahr, durch den einer Privatschule mit hohem Schulgeld und einer Stipendiatenquote von nur 10 Prozent die Gemeinnützigkeit entzogen worden war. Diese Zugangsregelung verletze nicht nur das Sonderungsverbot, sondern führe auch dazu, dass der geförderte Personenkreis keinen Ausschnitt aus der Allgemeinheit mehr darstelle.

Ohne Gemeinnützigkeit könnten Betriebs-Kitas Fördermittel verlieren

Für Träger von betrieblicher oder betriebsnaher Kindertagesstätten ist die BFH-Rechtsprechung in mehrfacher Hinsicht problematisch. Zum einen verlieren sie ihre Steuerbegünstigung einschließlich der Möglichkeit, Spendenbescheinigungen auszustellen. Zum anderen werden staatliche Zuschüsse in den Bundesländern und Gemeinden häufig davon abhängig gemacht, dass der Träger auf gemeinnütziger Grundlage arbeitet. Der Entzug der Gemeinnützigkeit dürfte viele Kitas deshalb vor Existenzprobleme stellen.

Wie können Betriebs-Kitas ihre Gemeinnützgkeit erhalten?

Nach dem BFH-Urteil fördern Betriebs-Kitas und betriebsnahe Kitas nicht die Allgemeinheit, wenn sie Restplätze ohne feste Quote an betriebsfremde Familien vergeben. Doch wie hoch müsste eine solche Quote sein? In Anlehnung an die Schulgeld-Rechtsprechung des BFH ist anzunehmen, dass 10 Prozent zu wenig sein dürften. Die Finanzverwaltung verlangt für die Förderung der Allgemeinheit von Ergänzungsschulen, dass bei 25 Prozent der Schüler keine Sonderung nach den Besitzverhältnissen der Eltern vorgenommen werden darf. Es erscheint nicht abwegig, diese Quote bis zu einer eindeutigen Klärung durch die Rechtsprechung auf die Platzvergabe bei Betriebs-Kitas anzuwenden.

Rechtsanwalt Linus Junginger

Linus Junginger

Rechtsanwalt
Zertifizierter Stiftungsberater (DSA)
junginger@vielwerth-junginger.de (+49) 6131 88888 99

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