Lehrerausbildung: Welche Vorschriften sind auf Privatschulen anwendbar?

In Gesetzen, Verordnungen und Erlassen regeln die Bundesländer umfassend, wer an staatlichen Schulen unterrichten darf. Für Schulen in freier Trägerschaft fehlen meist klare Vorgaben. Ein verwaltungsgerichtliches Urteil aus NRW beschäftigt sich mit der Frage, welche Regeln auf private Schulen anwendbar sind und welche nicht.

Privatschulrecht  |  1. Dezember 2022  |  Lesezeit 5 Minuten
Lehrerausbildung: Welche Vorschriften sind auf Privatschulen anwendbar?

Grundgesetz verlangt gleichwertige Lehrerausbildung zu öffentlichen Schulen

Schulen in freier Trägerschaft stehen immer häufiger vor dem Problem, geeignete Lehrerinnen und Lehrer zu finden. Das liegt nicht nur am allgemeinen Lehrkräftemangel im Schulwesen, sondern auch an den hohen rechtlichen Anforderungen an die Lehrerausbildung.

Das Grundgesetz bestimmt, dass Privatschulen „in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen“ dürfen (Art. 7 Abs. 4 S. 2 GG). In der Rechtsprechung wird aus dieser Formulierung das Erfordernis der Gleichwertigkeit, aber nicht der Gleichartigkeit der Ausbildung abgeleitet. Auch außergewöhnliche Karrierewege können zu einer Lehrberechtigung führen, wenn die pädagogischen und fachlichen Inhalte der Ausbildung im Wesentlichen denen der staatlichen Lehrerausbildung entsprechen.

Urteil des VG Minden konkretisiert Gleichwertigkeitsgebot

Aber was bedeutet „Gleichwertigkeit“ in der Praxis? Ein kürzlich veröffentlichtes Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Minden stellt klar, dass nicht alle Vorschriften, die für Lehrer im öffentlichen Schulwesen gelten, auch auf private Schulen anwendbar sind.

Worum ging es in dem Rechtsstreit?

Ein als Ersatzschule genehmigtes Gymnasium in NRW wollte eine Lehrerin in den Fächern Geografie, Mathematik und evangelische Religion einsetzen. Sie sollte nur in der Sekundarstufe I (Klassen 5 bis 10) unterrichten. Die Lehrerin hatte 1985 und 1986 die Erste Staatsprüfung für das Lehramt der Sekundarstufe I abgelegt, 1989 folgte die Zweite Staatsprüfung.

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Schulbehörde lehnt Unterrichtsgenehmigung ab, Schule erhebt Klage

Die zuständige Bezirksregierung lehnte den Antrag der Schule jedoch ab und erteilte die Unterrichtsgenehmigung nicht. Sie begründete ihre Ablehnung damit, dass nach dem neuen, seit 2017 geltenden Lehrereinstellungserlass Lehrkräfte in NRW mit einem Abschluss für die Sekundarstufe I nicht mehr an Gymnasien eingestellt werden könnten. Dieser Erlass sei auch für Ersatzschulen bindend. Die Schule klagte gegen diesen Bescheid vor dem VG.

Wie entschied das Verwaltungsgericht?

Das Gericht folgte der Rechtsauffassung der Bezirksregierung nicht und verpflichtete sie, der Schule eine Unterrichtsgenehmigung für die Lehrerin erteilen. Zur Begründung führte die Richterin aus, dass das Lehrerausbildungsgesetz (LABG) und der Lehrereinstellungserlass auf Ersatzschulen nicht unmittelbar anwendbar sei. Dass die Lehrerin nach der geänderten Rechtslage nicht mehr an staatlichen Gymnasien eingestellt werden könne, sei unerheblich. Es komme allein darauf an, ob ihre Ausbildung gegenüber Lehrkräften im öffentlichen Schulwesen gleichwertig sei – also auf die Anforderungen des Grundgesetzes.

Charakter der Schulen in freier Trägerschaft rechtfertigt unterschiedliche Behandlung

Das VG war der Meinung, dass die Lehrerin eine Ausbildung durchlaufen und Prüfungen abgelegt habe, die sie auf die Erteilung von Unterricht am Gymnasium in der Sekundarstufe I vorbereitet habe. Nach alter Rechtslage sei dieser Ausbildungsgang nämlich nicht nur auf Haupt- und Realschule, sondern auch auf das Gymnasium ausgerichtet gewesen. Eine Gleichartigkeit der Ausbildung und der abgelegten Prüfungen sei gerade nicht erforderlich, und das Gericht stellt fest:

Die starre, auf das öffentliche Schulwesen ausgelegte Argumentation des Beklagten wird dem Charakter der Schulen in freier Trägerschaft nicht gerecht.

Nicht alle Regeln für öffentliche Schulen sind auf Privatschulen anwendbar

Das Urteil zeigt, dass Schulbehörden mit ihren Entscheidungen zur Unterrichtsgenehmigung nicht immer richtig liegen. Da Regelungen für Schulen in freier Trägerschaft fehlen, werden gerne die Vorschriften für öffentliche Schulen holzschnittartig auf den Fall angewendet. Es ist aber in jedem Einzelfall zu prüfen, ob diese Gesetze, Verordnungen und Erlasse eine zulässige Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Gleichwertigkeitsgebot darstellen.

Rechtliche Beratung und Vertretung zum Thema Unterrichtsgenehmigung

Die Genehmigung von Lehrkräften und die Anerkennung von Abschlüssen sind ein häufiger Streitpunkt zwischen freien Schulträgern und Schulbehörden. Dabei muss zunächst Klarheit geschaffen werden, welche Anforderungen an Lehrer im öffentlichen Schulwesen auf Schulen in freier Trägerschaft übertragbar sind. Dazu berate ich sie gerne und vertrete Ihre Schule gegenüber der Schulbehörde und vor den Verwaltungsgerichten.

Urteil im Volltext: Verwaltungsgericht Minden, Urteil vom 15.06.2022, Az. 8 K 3507/18

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