Privatschule darf Schulvertrag nach Beschimpfungen von Eltern kündigen

Weil sie mit den Corona-Maßnahmen unzufrieden war, schrieb eine Mutter der Schulleitung eine E-Mail mit wüsten Beleidigungen und Drohungen. Die Schule kündigte daraufhin die Schulverträge für ihre beiden Töchter. Zu Recht, entschied jetzt das Oberlandesgericht Stuttgart.

Privatschulrecht  |  21. September 2022  |  Lesezeit 6 Minuten
Privatschule durfte Schulvertrag nach Beschimpfungen durch Eltern kündigen

E-Mail mit Vorwürfen sorgt für Streit zwischen Eltern und Schule

Zwei Schwestern besuchten die 7. und 9. Klasse einer Schule in freier Trägerschaft. Da die Mutter der Schülerinnen mit der Umsetzung der Corona-Maßnahmen – insbesondere der Maskenpflicht – nicht einverstanden war, schrieb sie eine E-Mail an die Geschäftsleitung und mehrere Lehrkräfte. Darin äußerte sie schwere Vorwürfe: Die Mitarbeiter der Schule würden „alle menschenverachtenden Maßnahmen und Verordnungen durchsetzen“ und „Verbrechen gegen die Menschheit begehen“. Sie werde sich darum bemühen, die „Verantwortlichen vor das Deutsche und Internationale Gericht“ zu bringen und sprach von einer „Kindeswohlgefährdung“. Außerdem vermutete sie, dass es einzelnen Lehrkräften Freude bereite, „Kinder zu erniedrigen und zu belehren“.

Schule kündigt Schulvertrag wegen geschädigtem Vertrauensverhältnis

Die Schule kündigte daraufhin die Schulverträge für die beiden Schülerinnen mit einer Frist von drei Monaten – zunächst ohne Angabe eines Grundes, dann erneut einen Monat später mit der Begründung, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Schule und Eltern durch die E-Mail geschädigt sei. Nachdem die Schulleitung auf ein Gesprächsangebot der Eltern nicht reagiert hatte, beauftragten die Eltern einen Rechtsanwalt – allerdings erst drei Monate nach der zweiten Kündigung.

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Eltern scheitern mit Eilantrag vor dem Landgericht

Vor dem Landgericht Ulm beantragten die Eltern im Eilverfahren, dass die Schule die Kündigung zurücknehmen und ihren Töchtern den Schulbesuch weiter gestatten müsse. Das Gericht wies den Antrag zurück. Hiergegen legten die Eltern sofortige Beschwerde vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart ein.

OLG: Kündigung der Schule war rechtmäßig

Das OLG bestätigte nun die Entscheidung der Vorinstanz und wies den Antrag der Eltern zurück. Die Kündigung könne auf ein vertragliches Kündigungsrecht gestützt werden, das sich die Schule in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vorbehalten hatte. Danach war eine Kündigung des Schulträgers „zum Schuljahresende am 31.07. oder zum 31.01. mit einer Frist von drei Monaten“ unter Angabe von Gründen – etwa der Schädigung des Vertrauensverhältnisses – möglich. Das OLG entschied, dass diese Regelung keine unangemessene Benachteiligung der Eltern darstelle. Gerade das Ende eines Schulhalbjahres sei für Schule und Eltern eine deutliche Zäsur. Da die Kündigung begründet werden müsse, komme es nicht zu einer einseitigen Durchsetzung der Interessen des Schulträgers.

Vertragsfreiheit der Schule setzt sich gegen Interessen der Schülerinnen durch

In der Interessenabwägung hatte das OLG auf der einen Seite das Recht der Schule zu berücksichtigen, grundsätzlich ihre Schülerinnen frei auszuwählen und sich unter Umständen vom Vertrag mit den Eltern wieder lösen zu können. Aus diesem Grund sei eine Regelung des baden-württembergischen Schulgesetzes, nach der Schüler von staatlichen Schulen nur aufgrund eigenen Fehlverhaltens von der Schule verwiesen können, auf Schulen in freier Trägerschaft nicht anwendbar. Auf der anderen Seite musste das Gericht das Interesse der Schülerinnen berücksichtigen, ihre Schulausbildung abzuschließen und nicht aus ihrem sozialen Umfeld gerissen zu werden.

Keine Rolle spielte für das Gericht der Einwand der Eltern, sie hätten mit ihren kritischen Äußerungen gegenüber der Schulleitung von ihrer Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht. Dieses Recht, so das OLG, schütze nicht davor, beim Verstoß gegen Vertragsbedingungen zivilrechtliche Nachteile zu erlangen.

Schule ist Weiterführung des Vertrags nicht zumutbar

Angesichts der Schwere der Drohungen und Vorwürfe entschied das Gericht zugunsten des Schulträgers. Dass die Töchter unter dem Fehlverhalten der Eltern zu leiden hätten, sei zwar bedauerlich. Vertragspartner seien jedoch nicht die Kinder, sondern die Eltern – und die hätten durch ihre unverhältnismäßige Reaktion das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstört, sodass der Schule eine Weiterführung des Vertrags nicht zuzumuten sei.

Drei Monate nach Kündigung keine Eilbedürftigkeit mehr

Das OLG sah darüber hinaus auch keinen Grund für einen Antrag im Eilverfahren. Dass die Eltern erst drei Monate nach der zweiten Kündigung einen Anwalt beauftragt hatten, zeige, dass die Sache für sie nicht besonders dringend gewesen sei. Da die Schule auch auf Gesprächsangebote nicht reagiert habe, sei kein Grund für ein so langes Abwarten ersichtlich.

Vorzeitige Beendigung des Schulvertrags nur durch vertragliches Kündigungsrecht

Die Entscheidung zeigt erneut, dass Schulen in freier Trägerschaft auf die Gestaltung ihrer Schulverträge achten sollten. In der Regel besteht kein gesetzliches Kündigungsrecht, da der Vertrag bis zum Erreichen des Ausbildungsziels (z.B. Schulabschluss) läuft. Im vorliegenden Fall war jedoch ein vertragliches Kündigungsrecht vereinbart worden, auf das sich die Schule berufen konnte. Schulträger sollten unbedingt darauf achten, in ihren Vertragsbedingungen eine unangemessene Benachteiligung (z.B. durch ungünstige Kündigungsfristen) zu vermeiden. Hier fiel die Interessenabwägung wegen der geäußerten Drohungen und Beleidigungen zugunsten der Schule aus – letztlich ist aber immer eine Bewertung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich.

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