„Quasi-Schulgeld“ an Förderverein wird nicht vom Sozialhilfeträger übernommen

Der Mitgliedsbeitrag für den Förderverein einer Privatschule wird nicht als Wiedereingliederungshilfe übernommen. Das Sozialgericht Detmold entschied, dass eine Schülerin mit Behinderung keinen Anspruch auf die Sozialleistung hat, da der Beitrag der allgemeinen Finanzierung der Schule diene und keine individuelle Förderung darstelle.

Privatschulrecht  |  10. Mai 2023  |  Lesezeit 4 Minuten

Privatschulen nutzen unterschiedliche Finanzierungswege

Schulen in freier Trägerschaft können nicht in beliebiger Höhe Schulgeld verlangen. Eine Grenze bildet zum einen das Verbot, Schülerinnen und Schüler nach den Besitzverhältnissen ihrer Eltern zu sondern (Sonderungsverbot). In manchen Bundesländern werden Privatschulen bei der Erhebung von Schulgeld außerdem (teilweise) aus der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen. Nicht zuletzt lässt sich das Schulgeld im Gegensatz zu anderen Elternleistungen auch nur zum Teil steuerlich absetzen.

Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass Schulträger bei ihrer Finanzierung versuchen, auf Mitgliedsbeiträge und Spenden auszuweichen, die formal auf freiwilliger Grundlage erbracht werden. In der Praxis wird aber oft gegenüber den Eltern zumindest angedeutet, dass der Schulbesuch mit einer kostenpflichtgen Vereinsmitgliedschaft oder einer regelmäßigen Spende verbunden ist.

So war es auch im Fall einer privaten Ersatzschule, die sich aus Mitteln eines Fördervereins finanzierte.

Worum ging es in dem Fall?

Der Förderverein erhob einen monatlichen Mitgliedsbeitrag von den Eltern, der die Kosten des Schulträgers für den Unterricht decken sollte. Dieses „Quasi-Schulgeld“ zahlten faktisch alle Eltern, deren Kinder die Schule besuchten.

Die Eltern einer schwerbehinderten Schülerin wollten dieses Quasi-Schulgeld vom Sozialhilfeträger im Rahmen der Eingliederungshilfe erstattet bekommen. Dieser lehnte die Übernahme jedoch ab: Der Mitgliedsbeitrag an den Förderverein sei eine freiwillige Leistung und daher nicht für die Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung erforderlich. Außerdem sei die Leistung für die allgemeine Finanzierung des Schule und nicht zur Förderung einer einzelnen Person erfolgt. Eine Kostenübernahme würde deshalb den Kernbereich der pädagogischen Arbeit betreffen, in dem das Schulrecht gelte und der Sozialhilfeträger nicht zuständig sei.

Gegen diese Ablehnung klagte die Schülerin (vertreten durch ihre Eltern) vor dem Sozialgericht (SG) Detmold.

Wie entschied das Sozialgericht?

Das SG gab dem Sozialhilfeträger Recht und wies die Klage ab. Das Gericht argumentierte wie die Behörde damit, dass Schulgeld generell nicht im Rahmen der Eingliederungshilfe zu übernehmen sei, weil diese Maßnahme zum Kernbereich der pädagogischen Arbeit gehöre. Der freiwillig erbrachte Beitrag diene der Deckung der allgemeinen Schulkosten und nicht der Unterstützung der individuellen Schülerin.

Wie ist das Urteil zu bewerten?

Leider verzichtet das SG in seiner Urteilsbegründung darauf, klar die Unterschiede zwischen einem Schulgeld als Entgelt für den Schulbesuch und freiwilligen Elternleistungen an einen Förderverein herauszustellen. Wird eine als Mitgliedsbeitrag oder Spende deklarierte Leistung nämlich in der gelebten Wirklichkeit der Schule verpflichtend als Gegenleistung für den Schulbesuch erhoben, ist die Zahlung (verwaltungs- und steuerrechtlich) als Schulgeld zu bewerten. Dem Grunde nach müsste diese Unterscheidung auch für das Sozialrecht gelten.

Das Verwaltungsgericht München urteilte vor Kurzem, dass der Jugendhilfeträger in Ausnahmefällen auch das Schulgeld für eine Privatschule im Rahmen der Wiedereingliederungshilfe übernehmen muss. Eine Kostenübernahme ist also – je nach Einzelfall und Gerichtsbarkeit – nicht in kategorisch ausgeschlossen.

SG Detmold, Urteil vom 27. April 2023 – S 35 SO 265/21

Artikel zum Thema

Privatschulrecht

Privatschulrecht

Das Recht, Schulen in freier Trägerschaft zu gründen, wird durch das Grundgesetz gewährleistet. Das Privatschulrecht regelt den Schulbetrieb und die Rechtsbeziehungen zwischen Schule, Eltern und Schülern.
weiterlesen
Gründung und Genehmigung einer Ersatzschule

Gründung und Genehmigung einer Ersatzschule

Durch den Besuch einer Ersatzschule können Schülerinnen und Schüler ihre Schulpflicht wie an einer staatlichen Regelschule erfüllen. Das unterscheidet sie von einer Ergänzungsschule, die das staatliche Angebot nur erweitert. Die Voraussetzungen für die Gründung einer Ersatzschule sind durch das Grundgesetz vorgegeben und werden durch das Landesrecht konkretisiert.
weiterlesen
Unterrichtsgenehmigung für Lehrerinnen und Lehrer an Privatschulen

Unterrichtsgenehmigung für Lehrerinnen und Lehrer an Privatschulen

Schulen in freier Trägerschaft (Privatschulen), die als Ersatzschulen zugelassen sind, müssen nachweisen, dass ihre Lehrkräfte hinreichend qualifiziert sind. In den meisten Bundesländern steht die Lehrtätigkeit unter dem Vorbehalt der Einzelgenehmigung. Das bedeutet, dass für jede Lehrkraft eine eigene Unterrichtsgenehmigung beantragt werden muss.
weiterlesen

Weitere Blogartikel

Dürfen Gemeinden Schulen in freier Trägerschaft finanziell fördern?

Dürfen Gemeinden Schulen in freier Trägerschaft finanziell fördern?

10. Mai 2023
Welche Aufgaben Gemeinden im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts wahrnehmen dürfen, ist immer wieder Anlass für rechtliche Streitigkeiten. Nach einem aktuellen Urteil kommt es bei einem Darlehen an eine Privatschule auch auf die Schulform an.
weiterlesen
Nachhilfeanbieter muss Corona-Soforthilfe trotz Online-Unterricht nicht zurückzahlen

Nachhilfeanbieter muss Corona-Soforthilfe trotz Online-Unterricht nicht zurückzahlen

28. Februar 2023
Im Chaos der beginnenden Corona-Pandemie wurden die Regeln für Soforthilfen an Unternehmen so häufig geändert, dass anscheinend selbst Behörden den Überblick verloren haben. Das VG Gelsenkirchen entschied jetzt, dass ein Nachhilfeanbieter Anspruch auf den Zuschuss hatte, obwohl er während des Lockdowns Online-Unterricht für seine Schüler anbot.
weiterlesen
Verfassungsbeschwerde gegen Privatschulfinanzierung unzulässig

Verfassungsbeschwerde gegen mangelhafte Finanzierung von Privtschulen unzulässig

22. Februar 2023
Ein Schulträger hatte sich gegen die aus seiner Sicht unzureichende staatliche Finanzierung erfolglos durch die Instanzen geklagt. Jetzt ist er auch vor dem Sächsischen Verfassungsgerichtshof gescheitert. Der Fall zeigt, warum es so schwierig ist, die Höhe der Finanzhilfe mit verfassungsrechtlichen Argumenten anzugreifen.
weiterlesen

Rechtsgebiete

Gemeinnützigkeitsrecht

Gemeinnützigkeitsrecht

Das Steuerrecht gewährt Körperschaften (z.B. Verein, Stiftung, GmbH) unter bestimmten Voraussetzungen Steuerbefreiungen. Dazu müssen sie steuerbegünstigte Zwecke selbstlos verfolgen, also nicht in erster Linie aus eigenwirtschaftlichen Motiven handeln.
weiterlesen

Vereinsrecht

In Deutschland gibt es rund 620.000 Vereine mit über 50 Millionen Mitgliedern. Die Gründung eines eingetragenen Vereins (e.V.) ist vor allem für ehrenamtliche Projekte beliebt, da sie relativ unkompliziert und ohne Startkapital möglich ist. Doch nicht für jeden guten Zweck ist der Verein die beste Rechtsform.
weiterlesen
Stiftungsrecht: Formen und Gründung einer Stiftung

Stiftungsrecht: Formen und Gründung einer Stiftung

Durch die Gründung einer Stiftung trennt sich der Stifter endgültig von seinem Vermögen und führt es dem gewählten Stiftungszweck zu. Welche Voraussetzungen dabei zu erfüllen sind und welche (steuerlichen) Vorteile die Gründung bringt, hängt von der Wahl der Stiftungsform ab.
weiterlesen

Gesellschaftsrecht: Gründung von Gesellschaften und Wissenswertes für Nonprofits

Insbesondere wenn mehrere Personen zusammen auf Dauer wirtschaftlich tätig sein wollen, bietet sich die Gründung einer Gesellschaft an. Zwischen den Gesellschaftsformen bestehen aber einige wichtige Unterschiede - für Nonprofit-Organisationen kommen nur bestimmte in Frage.
weiterlesen
Privatschulrecht

Privatschulrecht

Das Recht, Schulen in freier Trägerschaft zu gründen, wird durch das Grundgesetz gewährleistet. Das Privatschulrecht regelt den Schulbetrieb und die Rechtsbeziehungen zwischen Schule, Eltern und Schülern.
weiterlesen