Schulbehörden müssen bei Maßnahmen gegen Privatschulen Grenzen des Ermessens beachten

Wird einer Behörde für Maßnahmen der Schulaufsicht ein gesetzliches Ermessen eingeräumt, muss sie dessen Grenzen beachten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erklärte eine Entscheidung gegen eine griechische Schule für rechtswidrig, weil die Behörde sich nicht mit den Ursachen für einen Lehrkräftemangel auseinandergesetzt hatte.

Privatschulrecht  |  31. Dezember 2022  |  Lesezeit 5 Minuten
Schulbehörden müssen Grenzen des Ermessens beachten

Um was ging es in dem Fall?

Die Republik Griechenland betreibt in Bayern seit 1996 eine private Volksschule, die damals für Kinder griechischer Gastarbeiter und andere griechische Staatsangehörige gegründet wurde. Im Zuge der Euro-Krise wurden in Griechenland im Jahr 2012 Notstandsgesetze erlassen, die einen generellen Einstellungsstopp für Lehrkräfte bewirkte. Unbesetzte Lehrerstellen konnten an der Schule deshalb nicht nachbesetzt werden. Auch verbeamtete Lehrkräfte konnten nicht einfachnach Deutschland abgeordnet werden, da diese Verfahren sich wegen Anfechtungen der Abordnungen stark verzögerten.

Griechenland verliert vor dem Verwaltungsgericht und legt Berufung ein

Im Jahr 2018 erließ die Regierung von Mittelfranken einen Bescheid, in dem sie die zu geringe Zahl an Lehrkräften an der griechischen Volksschule formal beanstandete. Hiergegen klagte die Republik Griechenland erfolglos vor dem Verwaltungsgericht (VG) Ansbach und legte anschließend gegen das Urteil Berufung zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) ein.

Wie entschied der Verwaltungsgerichtshof?

Der BayVGH hob das Urteil des VG auf und entschied, dass der Bescheid aus dem Jahr 2018 rechtswidrig war. Die Schulaufsichtsbehörde hatte nämlich beim Erlass von Maßnahmen der Schulaufsicht einen Ermessensspielraum. Dieser besteht aus einem Entschließungsermessen (ob die Behörde überhaupt handelt) und einem Auswahlermessen (welche von mehreren möglichen Maßnahmen die Behörde trifft). Das Ermessen darf nicht völlig frei ausgeübt werden, sondern unterliegt gewissen Grenzen, die gerichtlich überprüfbar sind. So hat eine Behörde beispielsweise ihr Ermessen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auszuüben.

Newsletter Privatschulrecht

Möchten Sie von mir monatlich über die neuesten Entwicklungen im Privatschulrecht informiert werden? Dann abonnieren Sie meinen Newsletter Privatschulrecht.
Mit der Anmeldung akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung.

Schulaufsichtsbehörde hätte sich mit Ursachen für Lehrermangel auseinandersetzen müssen

Im vorliegenden Fall kam der BayVGH zu dem Ergebnis, dass die Beanstandung unverhältnismäßig war und bereits das Entschließungsermessen nicht richtig ausgeübt wurde. Die Behörde hatte sich nämlich nicht argumentativ damit auseinandergesetzt, dass aufgrund des griechischen Einstellungsstopps für die Schule keine Möglichkeit bestand, mehr Lehrkräfte einzustellen. Zudem sei der Lehrermangel bereits im darauffolgenden Schuljahr fast vollständig behoben worden.

Darüber hinaus war das Gericht der Meinung, dass das Thema des Lehrkräftemangels in der „Gemischten bilateralen Kommission für die privaten Volksschulen der Republik Griechenland in Bayern“ hätte besprochen werden müssen, bevor schulaufsichtliche Maßnahmen erlassen werden. Die Kommission sei ansonsten in Fragen des Schulbetriebs eingeschaltet worden, hier habe die Schulbehörde dies jedoch zur Problemlösung zu Unrecht nicht in Betracht gezogen.

Keine Staatenimmunität bei Betrieb einer privaten Ersatzschule

Der BayVGH bestätigte allerdings das VG in einem Punkt: Die Republik Griechenland kann sich gegenüber den bayerischen Schulbehörden nicht auf die sog. Staatenimmunität berufen. Dieser völkerrechtliche Grundsatz besagt, dass Staaten sich im Rahmen ihrer hoheitlichen Tätigkeit nicht vor den Gerichten anderer Staaten verantworten müssen, also nicht verklagt werden können. Die Verwaltungsgerichte kamen jedoch zu der Auffassung, dass der Betrieb einer Ersatzschule in Deutschland keine hoheitliche Tätigkeit ist, sondern aus dem Grundrecht der Privatschulfreiheit (Art. 7 Abs. 4 GG) folgt. Als Schulträger wird ein anderer Staat in Deutschland also genau so behandelt wie eine privatrechtliche Körperschaft.

Was bedeutet das Urteil für Privatschulen?

Auch wenn die meisten Ersatzschulen nicht von Staaten, sondern von Vereinen, gGmbHs und anderen privaten Organisationen betrieben werden, betrifft die Frage der Ermessensausübung sie ebenfalls. Bei Maßnahmen der Schulaufsicht (z.B. auch Widerruf der Schulgenehmigung) haben die Schulbehörden in der Regel einen Ermessensspielraum. Lässt der Bescheid nicht erkennen, dass die Behörde sich auch mit den Gegenargumenten des Schulträgers auseinandergesetzt hat, ist der Verwaltungsakt möglicherweise rechtswidrig und kann im Widerspruchs- oder Klageverfahren angegriffen werden.

Entscheidung: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 20. Oktober 2022 – 7 B 22.8

Artikel zum Thema

Gründung und Genehmigung einer Ersatzschule

Privatschulrecht

Das Recht, Schulen in freier Trägerschaft zu gründen, wird durch das Grundgesetz gewährleistet. Das Privatschulrecht regelt den Schulbetrieb und die Rechtsbeziehungen zwischen Schule, Eltern und Schülern.
weiterlesen
Gründung und Genehmigung einer Ersatzschule

Gründung und Genehmigung einer Ersatzschule

Durch den Besuch einer Ersatzschule können Schülerinnen und Schüler ihre Schulpflicht wie an einer staatlichen Regelschule erfüllen. Das unterscheidet sie von einer Ergänzungsschule, die das staatliche Angebot nur erweitert. Die Voraussetzungen für die Gründung einer Ersatzschule sind durch das Grundgesetz vorgegeben und werden durch das Landesrecht konkretisiert.
weiterlesen
Unterrichtsgenehmigung für Lehrerinnen und Lehrer an Privatschulen

Unterrichtsgenehmigung für Lehrerinnen und Lehrer an Privatschulen

Schulen in freier Trägerschaft (Privatschulen), die als Ersatzschulen zugelassen sind, müssen nachweisen, dass ihre Lehrkräfte hinreichend qualifiziert sind. In den meisten Bundesländern steht die Lehrtätigkeit unter dem Vorbehalt der Einzelgenehmigung. Das bedeutet, dass für jede Lehrkraft eine eigene Unterrichtsgenehmigung beantragt werden muss.
weiterlesen

Weitere Blogartikel

Nachhilfeanbieter muss Corona-Soforthilfe trotz Online-Unterricht nicht zurückzahlen

Nachhilfeanbieter muss Corona-Soforthilfe trotz Online-Unterricht nicht zurückzahlen

28. Februar 2023
Im Chaos der beginnenden Corona-Pandemie wurden die Regeln für Soforthilfen an Unternehmen so häufig geändert, dass anscheinend selbst Behörden den Überblick verloren haben. Das VG Gelsenkirchen entschied jetzt, dass ein Nachhilfeanbieter Anspruch auf den Zuschuss hatte, obwohl er während des Lockdowns Online-Unterricht für seine Schüler anbot.
weiterlesen
Verfassungsbeschwerde gegen Privatschulfinanzierung unzulässig

Verfassungsbeschwerde gegen mangelhafte Finanzierung von Privtschulen unzulässig

22. Februar 2023
Ein Schulträger hatte sich gegen die aus seiner Sicht unzureichende staatliche Finanzierung erfolglos durch die Instanzen geklagt. Jetzt ist er auch vor dem Sächsischen Verfassungsgerichtshof gescheitert. Der Fall zeigt, warum es so schwierig ist, die Höhe der Finanzhilfe mit verfassungsrechtlichen Argumenten anzugreifen.
weiterlesen
Erhöhung des Schulgelds muss nicht genehmigt werden

Erhöhung des Schulgelds muss nicht genehmigt werden

31. Januar 2023
Eine Privatschule aus Berlin klagte, um die Senatsverwaltung zur Genehmigung ihrer geplanten Schulgelderhöhung zu verpflichten. Das sei aber gar nicht ihre Aufgabe, entschied das Verwaltungsgericht.
weiterlesen

Rechtsgebiete

Gemeinnützigkeitsrecht

Gemeinnützigkeitsrecht

Das Steuerrecht gewährt Körperschaften (z.B. Verein, Stiftung, GmbH) unter bestimmten Voraussetzungen Steuerbefreiungen. Dazu müssen sie steuerbegünstigte Zwecke selbstlos verfolgen, also nicht in erster Linie aus eigenwirtschaftlichen Motiven handeln.
weiterlesen

Vereinsrecht

In Deutschland gibt es rund 620.000 Vereine mit über 50 Millionen Mitgliedern. Die Gründung eines eingetragenen Vereins (e.V.) ist vor allem für ehrenamtliche Projekte beliebt, da sie relativ unkompliziert und ohne Startkapital möglich ist. Doch nicht für jeden guten Zweck ist der Verein die beste Rechtsform.
weiterlesen
Stiftungsrecht: Formen und Gründung einer Stiftung

Stiftungsrecht: Formen und Gründung einer Stiftung

Durch die Gründung einer Stiftung trennt sich der Stifter endgültig von seinem Vermögen und führt es dem gewählten Stiftungszweck zu. Welche Voraussetzungen dabei zu erfüllen sind und welche (steuerlichen) Vorteile die Gründung bringt, hängt von der Wahl der Stiftungsform ab.
weiterlesen

Gesellschaftsrecht: Gründung von Gesellschaften und Wissenswertes für Nonprofits

Insbesondere wenn mehrere Personen zusammen auf Dauer wirtschaftlich tätig sein wollen, bietet sich die Gründung einer Gesellschaft an. Zwischen den Gesellschaftsformen bestehen aber einige wichtige Unterschiede - für Nonprofit-Organisationen kommen nur bestimmte in Frage.
weiterlesen
Gründung und Genehmigung einer Ersatzschule

Privatschulrecht

Das Recht, Schulen in freier Trägerschaft zu gründen, wird durch das Grundgesetz gewährleistet. Das Privatschulrecht regelt den Schulbetrieb und die Rechtsbeziehungen zwischen Schule, Eltern und Schülern.
weiterlesen